Wo kommt eigentlich meine (freie) Software her? Und warum ist SYSTOPIA so "teuer"? (Teil 1)

Beim CiviCRM-Stammtisch am 30.11.2023 hatte ich die Gelegenheit, ein paar schwierige und in der deutschsprachigen CiviCRM-Community weniger gern besprochene Themen vorzustellen und zu diskutieren (vielen Dank an Nina und Ulrich für die Einladung!). Der Vortrag wurde interessiert, angeregt und teils auch nachdenklich aufgenommen. Daher führe ich meine Anliegen hier in einer kleinen Artikelreihe nochmal aus, in der Hoffnung, der Community ein paar Denkanstöße zu geben und die Diskussion anzuregen.

Teil 1: Neugierig sein lohnt sich, oder: Woher kommen eigentlich meine CiviCRM-Extensions?

Beim Stammtisch, beim CiviCamp oder auch hier im Community-Portal werden oft nützliche und interessante Funktionen vorgestellt – vielen Anwender*innen ist aber anscheinend nur wenig klar, wo diese herkommen und wie sie mit dem Gesamtsystem CiviCRM zusammenwirken. Auch beim Stammtisch im November berichteten Anwesende, dass sie sich von der Komplexität des Themas überwältigt fühlen und kaum wissen, wo sie ansetzen sollen.

Das ist aber kein Grund zu verzweifeln, denn: Es gibt zwar viel zu lernen – mit etwas Beharrlichkeit kann man sich jedoch auch als „Nicht-Techie“ zu einem*einer versierten CiviCRM-User*in entwickeln. Und in der Community gibt es ja zum Glück viele Menschen, die bereit sind, ihr Wissen zu teilen. Zum Beispiel über das Thema CiviCRM-Extensions.

Anschließend an Lenas Stammtisch-Beitrag zu den SYSTOPIA-Extensions CiviOffice, MailBatch, MailAttachment und EventMessages (Doppel-Einladung CiviCRM-Stammtisch hybrid am 30.11.2023 - #4 von Lena) ging ich daher zunächst der Frage nach: Wie kommen eigentlich diese Funktionalitäten und die Extensions, von denen dauernd die Rede ist, in ein CiviCRM-System rein? Ein Grundverständnis davon, wie die Komponenten zusammenwirken, ist meiner Meinung nach nämlich extrem hilfreich.

Dass diese Themen teilweise mit einer gewissen Ehrfurcht oder auch Unlust gesehen werden, ist natürlich verständlich. Denn zum Einen ist die Materie ja wirklich kompliziert, je tiefer man in sie vordringt. Und zum Anderen möchte man als User*in doch vor allem ein funktionierendes System haben, ohne sich um die Technik dahinter kümmern zu müssen. Macht es da nicht Sinn, das tiefere Verstehen den Expert*innen zu überlassen?

Richtig ist: Organisationen sind für die Nutzung eines Systems wie CiviCRM oft auf externe Hilfe angewiesen, zumindest wenn sie nicht zufällig oder ganz bewusst IT-Expert*innen in den eigenen Reihen haben. Das ändert sich auch nicht grundsätzlich, sobald jemand sich mit Begeisterung, aber wenig Vorahnung und noch weniger Zeit ins Thema stürzt, denn die Lernkurve ist steil und lang. Bei SYSTOPIA machen wir aber die Erfahrung: Es lohnt sich dennoch! Denn den größten Nutzen können diejenigen Organisationen aus CiviCRM ziehen, die sich möglichst gut mit den Möglichkeiten und den technischen Hintergründen vertraut machen. Das gilt auch dann, wenn man dauerhaft auf externe Unterstützung setzt. Denn ein gutes Verständnis des Systems hilft nicht nur, immer mehr Dinge selbst zu tun. Auch die Einschätzung von Chancen und Problemen verbessert sich, ebenso die Kommunikation mit dem externen Auftragnehmer. So trägt man als User*in ganz wesentlich zum gelingenden CiviCRM-Einsatz bei, auch wenn in letzter Instanz externe Expertise in Anspruch genommen wird.

Ein Prinzip unserer Arbeit bei SYSTOPIA ist es daher, so viel Wissen und Know-how zu vermitteln, wie der jeweilige Kunde haben möchte und verarbeiten kann. Das endet keineswegs bei den alltäglich genutzten Funktionen, sondern wir zeigen gern auch die Administrationsfunktionen, mit denen sie ihr System selbst anpassen können (mit der gebotenen Vorsicht). Dass dazu auch gehört, den Kunden alle gewünschten Zugänge zum System und den darin enthaltenen Daten freizugeben, sollte selbstverständlich sein.

Womit wir zurück zu unseren Extensions kommen: Im System finden wir diese im Bereich Administration unter Systemeinstellungen. Dort lässt sich auch eine größere Zahl von Erweiterungen direkt aus der Oberfläche heraus installieren – jedoch nicht alle. Das liegt daran, dass CiviCRM einen Review-Prozess für Extensions vorsieht – mangels Finanzen und Personal beim Core-Team bzw. bei den Extension-Entwickler*innen ist es jedoch nicht leicht, einen solchen Review zu bekommen. Dass eine Extension dort nicht auffindbar ist, heißt also nicht, dass sie schlecht oder gar gefährlich ist. Viele besonders im deutschsprachigen Raum wichtige Extensions sind dort leider noch nicht zu finden. (Wer das Core-Team und damit das CiviCRM-Projekt direkt unterstützen möchte, kann dies übrigens mit einer freiwilligen Mitgliedschaft tun – eine sinnvolle Investition!)

Eine Bemerkung am Rande: Der Administrationsbereich von CiviCRM ist auch ansonsten die wichtigste Schaltstelle für die individuelle Anpassung des Systems. Dort sind unzählige wichtige Einstellungsmöglichkeiten zu finden. Meiner Meinung nach sollte eure Organisation daher unbedingt einen Benutzerzugang mit Admin-Berechtigung haben.

Was nun, wenn ich eine Extension haben möchte, diese aber nicht zur Installation per Benutzeroberfläche angeboten wird? Ein großer Teil der für CiviCRM entwickelten Extensions ist über CiviCRM Extensions | CiviCRM zu finden. Beim jeweiligen Eintrag finden wir sodann den Hinweis, wo der Programmcode zu finden ist. Allerdings braucht es (leider) etwas technische Kompetenz, um die Extension auf dem Server zu installieren. Das sollte aber – falls ihr selbst diese nicht habt – der Dienstleister eures Vertrauens im Normalfall innerhalb kurzer Zeit erledigen können. (Eine Installationsanleitung gibt es übrigens – wie jede Menge anderer nützlicher Dokumentation – unter https://docs.civicrm.org. Wer einigermaßen mit englischen Texten zurechtkommt, sollte sich dort auf jeden Fall einmal umsehen – wobei der erste Stopp natürlich das Handbuch für User*innen, nicht das für Systemadministrator*innen ist.)

Meiner Meinung nach macht es darüber hinaus aber auch Sinn, sich als Nicht-Entwickler*in einfach einmal anzusehen, wo eigentlich der Quellcode „lebt“, der der Open-Source-Software („offene Quelle“) ihren Namen gibt. Auch wenn man natürlich nicht erwarten kann, alles auf Anhieb zu verstehen – ein Blick in die vermeintliche Blackbox zeigt, dass es sich nicht um Magie handelt.
Als Beispiel haben wir das im CiviCRM-Stammtisch für die SYSTOPIA-Extension „Birthday Reports“ getan – ein kleines Tool, mit dem man einen Bericht über anstehende Geburtstage von CiviCRM-Kontakten erhält und diesen neuerdings auch automatisiert Grüße per E-Mail senden kann. Diese finden wir im Extension-Verzeichnis unter Birthdays | CiviCRM. Neben anderen hilfreichen Informationen findet sich dort auch der Link auf das sogenannte Repository unter GitHub - systopia/de.systopia.birthdays: CiviCRM extension to deal with birthdays. Das ist der Ort für die Entwicklung eines quelloffenen Softwareprojekts. Wir sehen dort den Programmcode selbst, aber auch noch mehr: Die (freie) Lizenz, (idealerweise) die Dokumentation im Ordner /docs, die Historie der Beiträge von Entwickler*innen (die sogenannten „commits“ usw. Wir sind hier also am eigentlichen Ort des Geschehens angekommen, hier wird freie Software hergestellt und veröffentlicht.

Wie gesagt, es ist nicht zu erwarten, dass man ohne Vorkenntnisse alles versteht, was man hier zu sehen bekommt. Und CiviCRM umfassend verstehen zu wollen, ist – man muss es ehrlich sagen – ein ambitioniertes Vorhaben. Aber dass freie Software eben gerade nicht als Blackbox funktioniert, sondern den Blick ins Innere ermöglicht; dass CiviCRM erstmal keine Grenzen setzt, was das Erkunden und Erlernen und schließlich auch die selbständige Steuerung des Systems angeht; und dass es in der CiviCRM-Community sehr viele Menschen gibt, die bereit sind zu helfen und ihr Wissen zu teilen – all das sollte Ermutigung und Ansporn sein, sich auf das Wagnis einzulassen. Wie gesagt, es ist der beste Beitrag zum gelingenden CiviCRM-Einsatz in der eigenen Organisation. (Und CiviCRM ist natürlich das beste CRM für Nonprofit-Organisationen.)

In der nächsten Folge: Freie Software wirtschaftlich betrachtet – wer bezahlt und wer profitiert?

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Hey Martin,

danke für den tollen Post! Ich kann mich Deinen Aussagen nur anschließen!

Ich würde mich freuen, wenn Du in Teil 2 auch auf die folgenden Aspekte eingehen könntest, da diese besonders meine Arbeit tangieren:

  • Wie melde ich einen Bug in einer Extension?
  • Was passiert, wenn ich einen Bug in einer Extension melde?
  • Muss ich dafür bezahlen, dass der Bug gefixt wird?
  • Kann ich den Bug selber fixen?
  • Muss ich dafür bezahlen, wenn mein Bugfix übernommen werden soll?
  • Kann ich eine fremde Extension selbst weiterentwickeln?
  • Wann sollte meine Weiterentwicklung mit der Original-Extension zusammengeführt werden und wer kommt für den Arbeitsaufwand auf?

Ich bin aufrichtig an Eurer Meinung dazu interessiert, denn die Fragen bewegen sich meiner Meinung nach in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen Auftragnehmer- und Aufraggeberinteressen, sowie den Grundlagen der Nutzung von Open-Source-Software.

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Vielen Dank für das Feedback und für die guten Fragen, die ich gern demnächst aufnehme.

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